Ein tropfen Kaffee

Ich sitze vor dem Fernseher. Ein Western läuft – langweilig, wie die meisten, die ich mir aus purer Gewohnheit anschaue. Auf der Mattscheibe reitet irgendein Held durchs Bild, irgendwo kracht ein Schuss. Einer fällt vom Pferd, und ich denke: Wie oft habe ich das schon gesehen?

Ein Buch liegt auf meinen Knien, bereit, mich aus der Eintönigkeit zu retten. In der anderen Hand halte ich eine Tasse Kaffee. Der Dampf steigt leise auf, der Duft begleitet mich wie ein alter Freund. Ein Schluck Kaffee, warm und stark, schafft es, mich noch ein wenig wachzuhalten.

Im Film geht es weiter: Schüsse hallen durch das Tal, Reifen quietschen plötzlich, als wäre ein neues Genre eingebrochen. Blaulicht flackert – ein Einsatz? Ach nein, es ist nur der Übergang zu etwas anderem. Feuerwehr. Polizei. Alles irgendwie dramatisch, aber ohne Gefühl. Dann: Stille. Abblende.

„Folge zwei morgen“, verkündet der Fernseher. Morgen also noch mehr Helden, noch mehr Blaulicht und wahrscheinlich noch mehr Langeweile.

Ich blicke auf mein Buch. Es ist spannender, viel spannender als das, was der Fernseher von sich gibt. Ein weiteres Kapitel lockt mich. Ein weiterer Schluck Kaffee. Der schwarze, bittere Geschmack begleitet meine Gedanken.

Die Müdigkeit schleicht sich an, langsam und unaufhaltsam. Meine Augenlider werden schwer, der Text im Buch verschwimmt. Ich versuche, noch einen Schluck Kaffee zu nehmen, als könnte ich damit die Trägheit vertreiben. Es hilft nicht viel.

Ganz kurz schlafe ich ein. Nur einen Wimpernschlag lang. Ein kleines Nicken, ein leichtes Weggleiten in die Dunkelheit. Doch dann schrecke ich auf, als wäre ich von einem Knall geweckt worden. Die Tasse in meiner Hand schwankt gefährlich, der Kaffee schwappt über. Ein Tropfen – nur ein kleiner Tropfen – fällt mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden. Ich starre darauf, als hätte der Tropfen etwas von der stillen Wut des Westernhelden in sich.

Einen Moment lang sitze ich einfach nur da. Der Fernseher plätschert weiter vor sich hin, das Buch ruht noch immer auf meinen Knien, und der Kaffee verliert allmählich seine Wärme. Müde. Einfach nur müde. Vielleicht sollte ich den Fernseher ausschalten und ins Bett gehen. Vielleicht lese ich aber noch ein Kapitel. Vielleicht …

Der Tropfen Kaffee auf dem Boden sieht aus wie der Punkt am Ende eines langen Tages.

KI

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